Dorfkirche Obergrunstedt

Text: Axel Deuer
Fotos: Ilja Claus, Axel Deuer
Grundriss: Axel Deuer

Obergrunstedt liegt ca. 6,5 Kilometer Südwestlich von Weimar. Das Platzdorf liegt nördlich der Autobahn 4, zwischen den Ortschaften Nohra im Westen und Niedergrunstedt im Osten. Seine Ersterwähnung ist in das Jahr 1319 zu datieren.[1] Die Kirche in Obergrunstedt ist Filial von Niedergrunstedt.[2]

Baubeschreibung

Obergrunstedt

Obergrunstedt_Turm (Medium)
Ansicht: Chorturm

Die Kirche in Obergrunstedt liegt Zentral in der Siedlung auf einem ummauerten Friedhof. Sie weist einen Turm im Osten auf und verfügt über ein jüngeres angefügtes Kirchenschiff.[3]
Der Turm wurde aus Quadermauerwerk aus Kalkstein, mit einem Eckverband von Ortsteinen im unteren Bereich, errichtet. Ab der Fensterhöhe geht das Quadermauerwerk in Bruchsteinmauerwerk über. Der Turm präsentiert sich ohne Verputzung und weißt auch keine Reste dieser auf.
Der Turm verfügt an der Südseite im Turmerdgeschoss über ein sechsteiliges Segmentbogenfenster, das baugleich zu denen im Kirchenschiff ist. Darüber ist ein Vierpass in die Wand eingelassen. Der Turm verfügt an der Südseite außerdem über eine Schallöffnung im Glockengeschoss.
An der Ostseite des Turmes ist im Erdgeschoss ein rundbogiger Zugang zum Chorinnenraum zu beobachten. Die Ostseite des Turmes verfügt des Weiteren über vier Lichtschlitze. Im Glockengeschoss wurde ein Biforium mit romanischer Mittelsäule verbaut. An der Nordseite sorgt im Turmerdgeschoss eine rechteckige Fensteröffnung für Beleuchtung des Chorraumes.
An der Turmsüdwand sind von außen außerdem mehrere Zugankerbefestigungen zu erkennen, diese sind mit geschmiedeten Verzierungen versehen, was auch eine größere Wandauflage zur Folge hat. Unter der Traufe ist das Ziffernblatt der Turmuhr angebracht. Der Turm wird von einem Sattelsparrendach überspannt.

Obergrunstedt_Weihestein (Medium)
Detail: Weihekreuz

Das westlich an den Turm anschließende Kirchenschiff wurde aus Bruchsteinmauerwerk errichtet und weist einen Eckverband aus Ortsteinen auf. Auch beim Kirchenschiff sind keine Reste einer Verputzung zu beobachten.
Im westlichen Teil der Südwand des Kirchenschiffes ist in das Mauerwerk ein steinernes Kreuz eingearbeitet worden. Das lateinische Kreuz ist an den Armen sowie am Kopf abgerundet. Der Schaft verbreitert sich gleichmäßig nach unten. Auf dem Steinkreuz sind Buchstaben eingeritzt, die ein „F“, ein „S“ und ein „K“ zeigen könnten. Bei dieser Spolie handelt es sich um ein Weihekreuz, das in das Mauerwerk eingefügt wurde.
Im Kirchenschiff befinden sich an der Nord- und Südwand jeweils zwei axial angeordnete Segmentbogenfenster mit einer Sechsteilung. Der Hauptzugang zur Kirche befindet sich auf der Westseite des Kirchenschiffes. Überspannt wird der Kirchensaal von einem Mansarddach mit Schopf an der Westseite und einem Fusswalm beim Auftreffen auf den Turm im Osten. In die Dachkonstruktion wurden jeweils zwei axial angeordnete Satteldachgauben eingebaut.

Bild1
Detail: Kämpfersteine

Im Innenraum des Turmerdgeschosses ist in der Ostwand ein vermauerter Rundbogen zu erkennen. Dieser diente wohl ursprünglich als Durchgang zu einer Ostapsis. Von besonderer Bedeutung sind allerdings die Kämpfersteine des Rundbogens. Diese weisen eine Schachbrettmusterverzierung auf und stammen sehr wahrscheinlich noch aus der Erbauungszeit des Turmes, aus dem 12. Jahrhundert.[4] In der Südwand des Turmerdgeschosses ist des Weiteren eine steinerne Nische zu beobachten. Richtung Westen öffnet sich der Turm in einem runden Triumphbogen Richtung Kirchenschiff.

Obergrunstedt_Decke (Medium)
Innenansicht: Kirchenschiff mit Blick auf die Orgel

Der Kirchensaal gliedert sich im Innenraum durch eine Hufeisendoppelempore. Diese nimmt die gesamte Länge des Kirchenschiffes ein und endet an der Ostwand des Saales. Zwischen den beiden Fenstern der Südwand ist ein vermauertes Portal zu erkennen.
Durch eine bauinschriftliche Jahreszahl über dem Scheitelstein des Triumphbogens, kann das Kirchenschiff und die Ausstattung auf das Jahr 1800 datiert werden. Die in Trümmern liegende Orgel befindet sich auf der zweiten Emporenebene im Westen des Saales. Die Doppelempore ruht auf insgesamt acht hölzernen Stützen im Innenraum und auf Steinkonsolen an den Außenwänden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Holzständer der Empore bis unter die Deckenkonstruktion fortsetzen. Hier nimmt die Doppelempore ein konstruktives Element der Dach- und Deckenkonstruktion ein. So lagern die Decke und die Dachkonstruktion auch auf den Emporenstützen. Die Empore nimmt die Auflasten der hölzernen Tonne auf und leitet den Auflagerdruck direkt über ihre hölzernen Stützen in den Untergrund ab. Somit werden auf die Seitenwände des Kirchenschiffes nur noch der Kämpferdruck und der Seitenschub des Gewölbes übertragen. Unter der Deckenkonstruktion befindet sich gegenwärtig eine Trockenbaudecke aus Gipskartonplatten.
Die Dachkonstruktion des Kirchenschiffes besteht aus einem Kehlbalkendach aus Holzsparren. Das Turmdach ist als Sparrendach ausgeführt.

Baugeschichte

Obergrunstedt_Turmdachkonstruktion (Medium)
Innenansicht: Turmdachkonstruktion

Die Kirche in Obergrunstedt ist wohl in ihren ältesten Bauteilen noch romanischen Ursprungs. Dafür sprechen die Kämpfersteine mit Schachbrettverzierung im vermauerten Rundbogen der Turmostwand. Auch das Biforium mit der romanischen Säule mit Würfelkapitell könnte für diese Einschätzung sprechen.[5]
Das Kirchenschiff stammt wie die Inschrift über dem Scheitelstein des runden Triumphbogens belegt von 1800. Auch die Innenausstattung wie beispielsweise die Hufeisenempore stammt aus dieser Zeit.[6]

  1. [1]Vgl.: Kahl, Wolfgang: Ersterwahnung Thuringer Stadte und Dorfer bis 1300.Ein Handbuch, Erfurt 1996., S. 52.
  2. [2]Lehfeldt, Paul: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Verwaltungsbezirk Weimar. Amtsgerichtsbezirke Großrudestedt, Vieselbach, Blankenhain, Ilmenau und Weimar; Jena 1893, S. 285 ff.
  3. [3]Vgl.: Grundriss Obergrunstedt.
  4. [4]Vgl.: Lehfeldt, Paul; Jena 1893, S. 285.
  5. [5]Ebd. S. 285.
  6. [6]Ebd. S. 285.