Stiftskirche Walbeck, Landkreis Börde

Text: Marco Chiriaco
Fotos und 3D-Modelle: Ilja Claus
Grundriss: Axel Deuer, Julia Blei

Baugeschichte

Grundriss der Ruine
Grundriss der Ruine

Das kleine Dorf Walbeck, heute ein Stadtteil von Oebisfelde-Weferlingen, liegt nordöstlich von Helmstedt am Oberlauf der Aller. Südöstlich der Ortslage erhebt sich eine ovale Bergkuppe, welche mehr als 20 Meter hoch steil über dem Flusstal der Aller aufragt. Auf dieser als Domberg bezeichneten Erhebung befindet sich die Ruine der Stiftskirche, welche der Reisende bei Annäherung von Süden her erblicken kann.
Auf der plateauförmigen, etwa 200 Meter langen sowie etwa 70 Meter breiten Dombergkuppe lag ehemals die Burg der Grafen von Walbeck. Ihre genaue Lage sowie ihr Alter sind heute nicht mehr ermittelbar. Eine Achsverschiebung der Stiftskirche um etwa 40 Grad lässt allerdings die Vermutung zu, dass die Grafenburg bei der Anlage der Stiftskirche bereits errichtet gewesen sein muss. [1]  [2]
Ursächlich für die Gründung war eine Sühnestiftung des Walbecker Grafen Lothar II. (vor 942−962), bedingt durch seine Teilnahme an der Verschwörung gegen den König und späteren Kaiser Otto I. (962−973) im Jahre 941. [3]

Die Gründung erfolgte um das Jahr 942 in Form eine Kollegiatsstifts des Benediktinerordens. Zudem sollte die St. Marien, St. Pankratius und St. Anna geweihte Stiftskirche als Grablege der Grafen von Walbeck dienen. Als Lothar 964 verstarb, war der Bau der Stiftskirche vermutlich komplett, zumindest aber im Wesentlichen vollendet. Der aus Hau- und Bruchsteinmauerwerk errichtete Gründungsbau wurde bis etwa um die Jahrtausendwende als flachgedeckte, kreuzförmige Pfeilerbasilika mit einem kurzen, vierjochigen, dreischiffigen Langhaus identifiziert; deren Westabschluss in einer Baunaht im Mauerwerk ablesbar ist. Die ursprünglich errichteten Rundfenster im Obergaden des Langhauses sind immer noch erkennbar. Das schmale Querhaus war gegen das Langhaus um drei Stufen erhöht. Es besaß keine ausgeschiedene Vierung und wohl auch keine Nebenapsiden. Auf den rechteckigen, um weitere zwei Stufen höher liegenden Chorraum folgte eine eingezogene, leicht gestelzte Halbkreisapsis. Reste von aufgehendem Mauerwerk sowie Fundamente sind an den Hochschiffswänden, am Querhaus, am Chor sowie an der Apsis nachweisbar. [4] Neuere Forschungen und Beobachtungen kommen zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Gründungsbau um einen einschiffigen Saalbau handelte, welcher im Osten sowohl durch ein durchgehendes Querhaus als auch ein kurzes, querrechteckig Chorjoch sowie eine nicht sehr hohe Absis abschloss. Der basilikale Umbau erfolgte erst in der Mitte des 11. Jahrhunderts. [5] Die wissenschaftliche Diskussion kann allerdings noch nicht abgeschlossen werden. Dazu sind weitere Untersuchungen, auch in Form von Ausgrabungen, nötig.
In den folgenden Jahrhunderten fanden zahlreiche Aus- und Umbauten statt. Diese sind nicht immer sauber zeitlich voneinander zu trennen. Zudem lassen der heutige Zustand des aufragenden Mauerwerks sowie fehlende umfangreiche archäologische Untersuchungen als auch weitere Quellen wie Photographien, Zeichnungen und schriftliche Quellen immer noch einen großen Interpretationsspielraum zu, insbesondere im Bereich des Westabschlusses.

Im Jahre 1011 brannte das gesamte Stift nieder. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wird die Grafenburg zerstört und nicht wieder aufgebaut. In der frühen Neuzeit führte die mangelnde Nutzung zu Baufälligkeit, welche auch 1731 attestiert wurde. [6]
Die Säkularisation des Reststifts in den Jahren 1810/11 führte zu einer Umnutzung der schon stark geschädigten Stiftskirche. Das Kirchengebäude wurde vorübergehend zu Wohnzwecken umgebaut; diese Maßnahme konnte den fortlaufenden Verfall allerdings nur herauszögern. Als besonders ausschlaggebend für den raschen Niedergang der Bausubstanz erwies sich der Abbruch der Dächer sowie die Tatsache, dass die Ruine im 19. Jahrhundert als Steinbruch genutzt wurde.
Erste Anregungen zur Sicherung und Rettung der Bauwerke erfolgten schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Architekten Ferdinand von Quast (1807−1877). Sein Ansinnen scheiterte allerdings an fehlenden finanziellen Mitteln. Erste Sicherungsarbeiten erfolgten um 1899 und in den Jahren 1909 bis 1914 als auch 1932 bis 1935. Wesentlich waren dabei Sicherungsmaßnahmen wie das Einfügen von mit Zugankern gesicherten „Strebepfeilern“. Die wohl gut gemeinten Arbeiten griffen dabei wesentlich in das Baudenkmal ein und verfälschen insbesondere den optischen Eindruck bis heute.
Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts fanden weit reichende Untersuchungen statt, in deren Folge denkmalpflegerische Maßnahmen greifen konnten. Dabei lag der Schwerpunkt in der Sicherung des Baubestandes. [7]
Dieser kurze Abriss soll nur einen einführenden Überblick über die Stiftskirche zu Walbeck liefern. Weitere, tiefer blickende Betrachtungen des Autorenteams von 360grad-denkmale.de werden in nächster Zeit folgen.


 

Nachweise:

  1. [1]H. Feldkeller: Die Stiftskirche zu Walbeck im Kreise Gardelegen. Ein Bauwerk des 10. Jahrhunderts, Burg 1937, S. 20.
  2. [2]P. Grimm: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg. Schr. Sekt. Vor- u. Frühgesch. 6, Handb. d. vor- u. frühgesch. Wall- und Wehranlagen, Teil 1, Berlin 1958, S. 124.
  3. [3]vgl. B. Heinecke: Tausend Jahre Kirchenbauten in Walbeck; In: B. Heinecke, K. Ingelmann (Hrsg.): Tausend Jahre Kirche in Walbeck, Petersberg 2007, S. 34f.
  4. [4]vgl. A. Meier; München 1993, S. 3f.
  5. [5]Vgl. U. Lobbedey: Die Stiftskirche St. Marien zu Walbeck. Baubefund und Baugeschichte; In: B. Heinecke, Chr. Schuffels (Hrsg.): Walbecker Forschungen, Petersberg 2010, 121f.
  6. [6]Vgl. ebd.
  7. [7]vgl. A. Meyer: München 1993, S. 8  und U. Lobbedey: Petersberg 2010; S. 101